Laktoseintoleranz oder doch nicht?
Viele glauben, sie vertragen keine Laktose – doch was, wenn es gar nicht stimmt?
Immer mehr Menschen verzichten auf Milch und Milchprodukte, weil sie glauben, laktoseintolerant zu sein. Vielleicht gehörst auch Du dazu. Vielleicht hast Du nach einem Cappuccino Bauchschmerzen oder nach einem Joghurt Blähungen. Schnell ist die Schlussfolgerung gezogen: Ich bin laktoseintolerant. Doch ist das wirklich so?
Eine neue Studie stellt genau diese Frage: Wie gut können Betroffene ihre eigene Laktoseintoleranz überhaupt einschätzen? Das Ergebnis: Viele liegen richtig, aber ebenso viele liegen daneben.
Die Studie analysierte Daten von 845 Patientinnen und Patienten aus sechs verschiedenen Studien und verglich ihre Selbsteinschätzung mit den Ergebnissen des sogenannten Wasserstoff-Atemtests. Dabei zeigte sich: Nur 68 % der Personen, die sich für laktoseintolerant hielten, waren es tatsächlich – und rund 36 % derer, die sich laktosefrei ernährten, hätten es gar nicht gemusst.
Was bedeutet das für Dich?
Wenn Du vermutest, Laktose nicht zu vertragen, liegst Du möglicherweise richtig. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Beschwerden eine andere Ursache haben, ist fast genauso hoch. Besonders beim Reizdarmsyndrom, das häufig mit Laktoseintoleranz verwechselt wird, überschneiden sich die Symptome: Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall oder Völlegefühl sind in beiden Fällen typisch.
Deshalb raten wir in unserer Praxis davon ab, einfach auf Verdacht auf Milchprodukte zu verzichten. Denn das kann langfristig zu Nährstoffmangel führen – insbesondere bei Kalzium. Stattdessen empfehlen wir Dir eine gezielte Diagnostik mit einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren: dem Laktose-Atemtest.
Warum die Selbsteinschätzung bei Laktose-Intoleranz oft täuscht
Die oben genannte Studie Pop et al., 2024 zeigt deutlich: Die subjektive Einschätzung ist trügerisch. Die sogenannte Spezifität der Selbsteinschätzung lag bei nur 35,7 %. Das bedeutet: Zwei von drei Personen, die sich für intolerant halten, sind es gar nicht.
Ein Grund: Die Symptome, die nach dem Verzehr von Milchprodukten auftreten, sind nicht spezifisch. Auch Stress, Reizdarm, Fruktose- oder FODMAP-Unverträglichkeiten oder sogar eine falsche Sitzhaltung beim Essen können zu Blähungen führen.
Ein weiterer Grund: Die Erwartungen des Gehirns. Wenn Du davon überzeugt bist, dass Milch Dir nicht gut tut, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Du nach dem Verzehr tatsächlich Beschwerden hast. Dieses Phänomen nennt man Nocebo-Effekt. Es ist gut belegt und spielt auch bei Lebensmittelunverträglichkeiten eine Rolle.
Zusätzlich ist es wichtig, den Unterschied zwischen Laktosemalabsorption und Laktoseintoleranz zu verstehen:
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Laktosemalabsorption bedeutet, dass der Dünndarm Laktose nicht ausreichend spaltet.
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Laktoseintoleranz liegt erst dann vor, wenn dadurch Symptome entstehen.
Das erklärt, warum manche Menschen mit Malabsorption trotzdem symptomfrei sind – und warum die Diagnose nicht allein durch Symptome erfolgen sollte.
Warum ein Laktose-Atemtest sinnvoll ist
Der Wasserstoff-Atemtest (H2-Atemtest) ist die weltweit empfohlene Methode, um eine Laktoseintoleranz sicher festzustellen. Dabei trinkst Du eine Testlösung mit Laktose. Anschließend misst ein spezielles Gerät in bestimmten Zeitabständen den Wasserstoffgehalt in Deiner Atemluft. Denn wenn Dein Dünndarm Laktose nicht abbauen kann, gelangt sie in den Dickdarm und wird dort von Bakterien vergoren – unter anderem zu Wasserstoff, den Du dann ausatmest.
Ein Anstieg des Wasserstoffwertes im Atem spricht für eine Laktosemalabsorption. Kommen gleichzeitig typische Beschwerden wie Blähungen oder Bauchkrämpfe hinzu, spricht man von Laktoseintoleranz.
Der Laktose-Atemtest ist besonders empfehlenswert, wenn Du eines oder mehrere der folgenden Symptome nach dem Verzehr von Milchprodukten bemerkst:
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Blähungen
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Durchfall
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Bauchschmerzen oder Krämpfe
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Völlegefühl oder Übarkeit
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Gurgelnde Darmgeräusche (Borborygmi)
Auch wenn Du schon länger Milchprodukte meidest und unsicher bist, ob dies wirklich notwendig ist, lohnt sich der Test.
Was Du stattdessen bei dem Verdacht auf Laktose-Unverträglichkeit tun solltest
Wenn Du den Verdacht hast, Milchprodukte nicht zu vertragen, gehst Du mit einem Laktose-Atemtest auf Nummer sicher. Das Ergebnis gibt Dir Sicherheit: entweder, dass Du tätsächlich laktoseintolerant bist und Deine Ernährung anpassen solltest – oder dass Du unbesorgt Milch trinken kannst und die Ursache für Deine Beschwerden woanders liegt.
Ein falsch vermuteter Zusammenhang führt oft zu überflüssigen Diäten. Diese können langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen: Der Verzicht auf Milchprodukte verringert die Kalziumaufnahme, was besonders für Frauen ein Risikofaktor für Osteoporose sein kann. Auch der Verzicht auf fermentierte Milchprodukte kann sich negativ auf Deine Darmflora auswirken.
Je nach Ergebnis bieten wir Dir zwei Wege:
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Bei positiver Diagnose: Du erhältst eine individuelle Ernährungsstrategie mit verträglichen Alternativen, auf Wunsch begleitet durch unser Coaching.
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Bei negativem Ergebnis: Wir helfen Dir, andere Ursachen wie FODMAP-Unverträglichkeit, Fruktosemalabsorption oder Reizdarm abzuklären – strukturiert und lösungsorientiert.
Fazit: Die Diagnose nicht dem Gefühl überlassen
Du musst nicht raten, ob Du laktoseintolerant bist. Und Du musst auch nicht auf alles verzichten, was Dir vielleicht gar nicht schadet. Der Laktose-Atemtest bietet Dir eine einfache und verlässliche Lösung, um Klarheit zu bekommen.
Wenn das Ergebnis negativ ist, kannst Du Dich wieder entspannen und die nächste Tasse Cappuccino mit gutem Gewissen genießen. Wenn es positiv ist, zeigen wir Dir, wie Du Dich gesund und ausgewogen ernähren kannst – auch mit Intoleranz.
Lass Dich nicht von Deinen Symptomen in die Irre führen. Hol Dir die Gewissheit – mit einem fundierten Test.
Literatur: Pop A, Popa SL, Pop DD, Ismaiel A, Nechita VI, Dumitrascu DL. Self-Perceived Lactose Intolerance Versus Confirmed Lactose Intolerance in Irritable Bowel Syndrome: A Systematic Review. J Gastrointestin Liver Dis. 2024 Sep 9. Volltext